
Die Wirbelsäule bildet das zentrale Gerüst des menschlichen Körpers – und ihre Form beeinflusst weit mehr als nur die Haltung. Bei einer Skoliose, also einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule mit Rotation einzelner Abschnitte, geraten Statik, Atmung und Muskelaktivität aus dem Gleichgewicht. Die Schroth-Therapie hat sich als Methode etabliert, die auf diese Komplexität reagiert – mit einem funktionellen, mehrdimensionalen Ansatz, der sowohl die Bewegungskoordination als auch die Atemführung berücksichtigt.
Inhaltsverzeichnis:
Grundlagen und Ziele der Methode
Die Schroth-Therapie wurde bereits in den 1920er-Jahren von Katharina Schroth entwickelt. Ursprünglich aus eigener Betroffenheit heraus entstanden, basiert die Methode auf dem Prinzip, durch bewusste Körperwahrnehmung, Korrekturhaltungen und gezielte Atemführung die skoliotische Fehlstellung aktiv zu beeinflussen. Dabei geht es nicht um das „Geradebiegen“ der Wirbelsäule, sondern um ein Trainieren von muskulären Gegenspannungen, die langfristig Haltung und Symmetrie verbessern.
Der Therapieansatz ist dreidimensional: Er berücksichtigt nicht nur die seitliche Verbiegung, sondern auch die Verkrümmung der Wirbelsäule und den damit verbundenen Einfluss auf den Brustkorb. So können Skoliose-Patient:innen lernen, aktiv gegenzusteuern und Fehlhaltungen zu korrigieren – ein Ziel, das sich nur mit konsequenter Eigenarbeit erreichen lässt.
Therapieablauf und Struktur
Am Beginn steht stets eine umfassende Anamnese, ergänzt durch bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen oder 3D-Körpervermessungen. Anschließend wird ein individueller Therapieplan erstellt, der auf regelmäßige Einzelsitzungen, Gruppenangebote und ein häusliches Übungsprogramm setzt. Die Übungen finden meist im Stand, Sitz oder Seitenlage statt und zielen auf gezielte Muskelaktivierung, Haltungsschulung und Atmungslenkung. Das Ziel ist, über die Therapie hinaus ein Bewusstsein für die eigene Haltung zu schaffen.
Ein Therapeut, der eine bewährte Schroth-Therapie anwendet, achtet besonders darauf, dass jede Bewegung nachvollziehbar bleibt – denn nur was verstanden wird, kann auch im Alltag umgesetzt werden.
Einsatzbereiche und Zielgruppen
Die Schroth-Therapie richtet sich nicht ausschließlich an junge Menschen im Wachstum, auch wenn sie dort besonders häufig angewendet wird. Auch Erwachsene mit langjähriger Skoliose, Patient:innen nach Wirbelsäulenoperationen oder Menschen mit degenerativen Veränderungen können von der Methode profitieren. Dabei ist die individuelle Anpassung entscheidend: Kein Skolioseverlauf gleicht dem anderen, weshalb Diagnostik, Zielsetzung und Übungsauswahl auf die jeweilige Situation abgestimmt werden müssen.
In bestimmten Fällen – etwa bei starker Rotation der Wirbelsäule oder ausgeprägtem Muskelungleichgewicht – kann die Schroth-Therapie auch als Vorbereitung oder Ergänzung zu operativen Eingriffen dienen. Häufiger aber wird sie eingesetzt, um eine OP zu vermeiden oder um postoperative Stabilität und Beweglichkeit zu fördern.
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Die Rolle der Atmung
Ein zentraler Bestandteil der Schroth-Therapie ist die sogenannte Drehwinkelatmung. Sie fördert die Belüftung von Lungenabschnitten, die durch die Skoliose eingeengt sind, und hilft so, die Beweglichkeit des Brustkorbs zu verbessern. Über bewusste Ein- und Ausatmung wird gezielt Einfluss auf Rippenbewegung, Rumpfspannung und Körperkontrolle genommen. Die Atmung dient dabei nicht nur der Versorgung, sondern wird aktiv als Korrekturinstrument genutzt – ein Prinzip, das sich von vielen klassischen krankengymnastischen Verfahren abhebt.
Nachhaltigkeit und Alltagstransfer
Ein zentrales Element der Schroth-Therapie ist die Übertragbarkeit in den Alltag. Das Erlernen korrekter Haltungsstrategien ist kein Selbstzweck, sondern soll in Beruf, Freizeit und Bewegung integriert werden. Dazu gehören unter anderem das bewusste Sitzen am Arbeitsplatz, das ergonomische Heben oder das Einnehmen stabilisierender Positionen bei sportlichen Aktivitäten.
Die Methode zielt langfristig auf Selbständigkeit ab. Je besser ein Patient seine eigene Wirbelsäulenform kennt, desto gezielter kann er mit Belastung umgehen – eine Fähigkeit, die sich auch präventiv auswirkt, etwa bei Schmerzen im Lendenbereich oder Verspannungen im Schulter-Nacken-Gebiet.
Grenzen der Methode
Wie jede Therapieform hat auch die Schroth-Therapie Grenzen. Eine vollständige Rückführung der Krümmung auf einen neutralen Zustand ist bei ausgeprägter Skoliose kaum möglich. Ziel ist vielmehr eine funktionelle Verbesserung – also die Reduktion von Beschwerden, eine optimierte Haltung und eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Auch psychosoziale Aspekte spielen dabei eine Rolle: Der sichtbare Effekt einer verbesserten Körperhaltung wirkt sich oft positiv auf das Selbstbild aus.
In akuten Schmerzphasen oder bei stark eingeschränkter Beweglichkeit kann ergänzend mit anderen physiotherapeutischen oder manualtherapeutischen Verfahren gearbeitet werden.
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Aktive Therapie mit Potenzial
Die Schroth-Therapie ist ein bewegungsorientierter Ansatz, der Menschen mit Skoliose hilft, ihre Haltung aktiv zu verbessern und Beschwerden zu lindern. Durch gezielte Übungen, bewusste Atmung und ein hohes Maß an Eigenverantwortung fördert sie nicht nur die Wirbelsäulengesundheit, sondern stärkt auch das Verständnis für den eigenen Körper.In spezialisierten Einrichtungen, die die Methode in ihrer Tiefe anwenden, lässt sich das Potenzial der Therapie voll ausschöpfen – vorausgesetzt, Patient:innen bringen die notwendige Motivation und Kontinuität mit.